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Thema: Research: Environmental Shaping Theory of ABDL

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    Junior Member Avatar von ByeBye_

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    AW: Research: Environmental Shaping Theory of ABDL

    Vielen Dank für den interessanten Thread, dJonas. Gleichzeitig habe ich aus verschiedenen Gründen ein Problem mit der Herangehensweise, die Brian Zamboni vertritt.

    1. Es braucht ihn nicht, um ABDL zu ent-pathologisieren.

    Das sehr einflussreiche, von der American Psychiatric Association herausgegebene DSM differenziert in seiner aktuellen, fünften (2013) Auflage bereits zwischen "paraphilias" und "paraphilic disorders"; Unterscheidungskriterium zwischen beiden ist der Leidensdruck.

    In Deutschland wird das verwandte ICD genutzt. Diese Titel sind nicht einfach irgendwelche Fachbücher, sondern institutionell anerkannte Referenzhandbücher. Psychotherapie in der ambulanten Versorgung (Richtlininienpsychotherapie) setzt voraus, dass eine klinisch relevante psychische Störung nach ICD-10 vorliegt. Das ICD ist also ziemlich mächtig und kann als Katalog dessen angesehen werden, was unsere Gesellschaft als behandlungsbedürftig ansieht. Das ICD-10 kennt noch Fetischismus als Diagnose (F65.0; im ICD-11 wird diese Diagnose wegfallen, vgl. https://www.amboss.com/de/wissen/St%...pr%C3%A4ferenz).

    Aber auch im ICD-10 ist eingebaut, dass Fetschismus nicht als Phänomen selbst als behandlungswürdig eingestuft wird, sondern dann, wenn er die alleinige / primäre Quelle von sexueller Lust ist. Indirekt wird hier also auch ein Leidensdruck vorausgesetzt.

    Es gibt viel Kritik am ICD oder generell an einem solchen diagnosezentrierten Umgang mit psychischem Leid, aber das ist hier nicht Thema. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich es wichtig finde, dass Menschen, die an ihrer erotischen Orientierung leiden, Hilfe finden und dass der Zugang zu dieser Hilfe nicht von ihrem Geldbeutel abhängig ist. Das spricht m. E. gegen eine vollständige Herausnahme sexuell abweichenden Verhaltens aus solchen Katalogen. Wer in einer Großstadt in der BRD aufwächst, früh Bestätigung erfährt, Zugang zur Szene hat und sich selbst autonom mit seinem Begehren verwirklichen kann, für den ist es absurd zu lesen, dass seine Orientierung in irgendeinerweise Gegenstand klinischer Psychologie ist. Wer wenig aufgeklärt in irgendeinem Dorf heranwächst, eingebettet in zum Einfamilienhaus gewordener Heteronormativität, früh erfährt, dass, wer abweicht, bestenfalls Opfer von Hohn und Spott wird, für den mag in späteren Jahren der Weg zu einer freudvoll erlebten Sexualität auch über eine Therapie führen.

    Das führt mich zu meinem nächsten Punkt.

    2. Gibt es denn "ABDL" überhaupt?

    Ich finde es zunehmend irritierend, irgendwo von "ABDL" zu lesen und dabei so zu tun als sei das so etwas wie ein Tisch oder eine Katze -- etwas, das erkennbar mit einigermaßen bestimmbaren Eigenschaften in der Welt herumläuft.

    In den rund 15 Jahren, die ich mittlerweile "ABDL" verfolge, finde ich es wahnsinnig spannend zu sehen, wie krass sich die Vorstellungen davon unterscheiden. Da gibt es die Leute, für die das eher ein Fetischismus ist, also etwas, das zwischen ihren Dingen (die sich zum Teil auch deutlich unterscheiden) und sich selbst abspielt. Für andere ist es eher eine Beziehungsdynamik in Richtung BDSM, seit ein paar Jahren nennt sich ein Teil davon "Ageplayer" oder "Little". Manche, die sich als letztere verstehen, betonen nicht das Sexuelle, sondern behaupten das als eine Art Lifestyle. Dazwischen gibt es hunderte Schattierungen.

    Ist das alles nur Effekt einer sich ausdifferenzierenden Szene? Oder macht es nicht andersherum mehr Sinn: Es gibt keine feste erotische Orientierung "ABDL" (oder Little,...), sondern es gibt Menschen, die ganz unterschiedliche Knöpfe haben, die ganz unterschiedliches bei ihnen auslösen und das auf unterschiedliche Weisen mit anderen teilen wollen und dafür sich die passenden Leute suchen, was dann wiederum zu unterschiedlichen Entdeckungen führt ("Oh, X macht ja doch Spaß, hätte ich nie dran gedacht, wenn ich das nicht mal ausprobiert hätte"). Also eigentlich ziemlich ähnlich zu dem, wie sich Vanillas verhalten.


    So ein Ansatz wie der von Zamboni kann diese Perspektive aber nicht einnehmen. Er muss vereinheitlichen. Er muss so tun, als würde es "ABDL" als Phänomen wirklich geben. Sonst hätte er ja nichts, an dem er herum forschen kann.

    Das ist übrigens keine wissenschaftsfeindliche Perspektive. Feindlich ist sie nur gegenüber so empirisch-vereinheitlichenden Ansätzen. Es gibt z. B. aus der Psychoanalyse sehr kluge Ansätze, um über Sexualität zu reden, ohne dabei normativ zu werden oder bestimmte Orientierungen als gegeben vorauszusetzen. Das passiert dann z. B. über die Untersuchung der Knöpfe selbst, also Sexualität als dynamisches Geschehen aufzufassen. Es gibt den wirklich hervorragenden Band "Sexualität", der auch für Laien einigermaßen zugänglich ist und in für eine solche Perspektive zentrale Begriffe einführt (https://www.psychosozial-verlag.de/2155).

    Pumpernickel hat es ja schon sehr gut auf den Punkt gebracht:


    3. Für eine andere Perspektive auf Sexualität

    Zitat Zitat von Pimpernuckel Beitrag anzeigen
    Dazu sind die Spielarten innerhalb des ABDL-Überbegriffs noch viel zu unterschiedlich. Es gibt faktisch nicht den prototypischen ABDL und jeder Versuch einer Klassifizierung ist eigentlich wie ein Wollknäuel, aus dem immer wieder neue Fäden hervorkommen. Ich glaube eher, dass es wie bei jeder anderen Spielart einfach eine gewisse Menge an Leuten gibt, die aber nicht genau messbar sind, weil nicht jeder offen damit umgeht. Hier könnte man sogar wieder auf die Studie zurückkommen, weil sehr wahrscheinlich ja da auch nur Leute drin auftauchen, die kein Problem damit haben.
    Ich würde es nur noch stärker formulieren. Menschliche Sexualität *ist* genau dieses "Wollknäuel". Die heteronormative Kultur täuscht nur darüber hinweg, indem sie so tut, als gäbe es ein irgendwie normales Begehren. Die taz fasst ein sehr kluges Buch zu dem Thema schön zusammen:

    Es gibt Sexualität als solche, aber sie ist nicht so beschaffen wie andere uns bekannten Dinge. Man kann keinen positiven Begriff von ihr geben, der zudem klar abzugrenzen wäre. Sexualität ist das, was sich entzieht. (Link)
    Das ist das Problemniveau, an das die hier vorgeschlagene Perspektive halt einfach nicht rankommt. Sexualität als das, was eben nicht durch eine bestimmte Menge an Eigenschaften definierbar ist, sondern als etwas, das sich gerade dadurch auszeichnet, dass es nicht fix umrissen werden kann, eher ein stetes Werden ist als ein fixierbares Sein. Oder um eben mit dem erwähnten Buch zu sprechen: Als etwas, das sich "entzieht", bestenfalls in Spuren (wie vielleicht das andere erwähnte Buch sagen würde) und nur mit einem ganz vorsichtigen Blick erahnbar wird. Spuren sind etwas, das nicht mit der Sache selbst zu verwechseln ist, Spuren sind ein Abdruck der zugleich Abwesenheit signalisiert, etwas das hinterlassen worden ist und ein Rätsel für die neugierige Fährtenleserin hinterlässt.

    Damit ist, das wäre jedenfalls meine These, die von dir vorgeschlagene Perspektive gerade in ihrem Versuch, ABDL zu entpathologisieren, Ausdruck eines Teils der Gewalt, die Menschen in Kategorien einpfercht -- statt sie einfach ihre Sexualität bunt leben zu lassen.

    Dein Einwand:

    Zitat Zitat von dJonas Beitrag anzeigen
    Die Studie sagt doch auch garnicht, dass es den einen oder anderen Trigger gibt. Sie sammelt die Einschätzungen von einer Teilmenge der ABDL Community und klassifiziert diese.
    übersieht, dass eine solche Klassifizierung immer auch Behauptung einer Zusammengehörigkeit ist, immer Realität schafft -- ob es nun zum Gegenstand passt oder nicht. Und, wenn sie so wie hier vorgeht, dabei von der Gefahr geprägt ist, einfach nur zu reproduzieren, was so als Vorstellungen in den Köpfen der Leute herumspukt.

    Oder andersherum:

    Zitat Zitat von dJonas Beitrag anzeigen
    Ja ABs und DLs unerscheiden sich in vielen Gesichtspunkten, es gibt aber auch einige Gemeinsamkeiten wie z.B. das tragen von Windeln.
    Warum ist das eine Gemeinsamkeit? Das ist eine Unterstellung. Allein wenn ich hier in diesem Form mich umsehe, stoße ich auf so viele verschiedene Arten von Windeltragen, so viele unterschiedliche Sachen, die das für Leute bedeutet, dass allein der Umstand, dass sie die Gemeinsamkeit "Windel" haben, ziemlich genau nichts aussagt.

    Es ist doch eher ein gesellschaftlicher Effekt, dass das etwas ist, das als gemeinsam behauptet wird -- nur weil "Windeln" eben nicht zur vermeintlich normalen Sexualität gehören, werden sie als etwas sichtbar, das möglicherweise völlig unterschiedliche auf Windeln zurückgreifende Praktiken als zusammengehörig erscheinen lässt. Diese Community hier ist ja eher ein ziemlich bunter Mischmasch aus ganz unterschiedlichen Leuten, die sich eben genau deshalb um das Thema Windeln versammeln, weil das nichts ist, über das sich in der Kneipe sprechen lässt. Das heißt aber nicht, dass sie dadurch in irgendeiner sinnvollen Weise miteinander verbunden sind, dort etwas teilen.


    Zitat Zitat von dJonas Beitrag anzeigen
    Außerdem gibt es immer mehr Wissenschaftler die ihre Publikationen zusätzlich Open Source stellen. Die sind nur manchmal etwas scherer zu finden als die Springer links, ...
    Kleine Anmerkung zur Lage von Open-Access-Publikationen, über die ich hier zu lesen mich sehr gefreut habe! Was öffentlich finanziert wird, wie Forschung, muss eben auch öffentlich kostenlos zugänglich sein.

    Und deswegen gibt es die wunderbare Open-Access-Suchmaschine BASE. Gibt man da umraffiniert ABDL und DIAPER ein, findet man auch gleich ein paar Sachen: https://www.base-search.net/Search/R...en&newsearch=1.
    Geändert von ByeBye_ (28.11.2020 um 22:37 Uhr)

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