Der Bub tut mir echt leid. Ich kann das einigermaßen nachvollziehen, weil man mir selber während meiner Schulzeit als Klassenclown auch mal Ritalin andienen wollte. Meine Eltern haben das Gottseidank verhindert. Sie haben sich vorher sehr ausführlich mit der Thematik beschäftigt, und sind der Frage nachgegangen, ob Ritalin tatsächlich das versprochene Wundermittel für das Problem Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsstörungen ist. Ich finde es ist wichtig, auch hier mal ein bißchen Licht ins Dunkel zu bringen, weil ich vermute, daß hier einige sind, die davon betroffen sind oder waren.

In den 1970er Jahren stand die amerikanische Psychiatrievereinigung (APA) kurz vor ihrer Auflösung. Ihr war eine Konkurrenz aus Sozialarbeitern, Psychologen, Beratern und Familientherapeuten erwachsen, die wesentlich effizienter und billiger arbeiteten, als die schulmedizinische Psychiatrie. Kurz vor dem finanziellen Ruin gelang es der APA jedoch, die Aufmerksamkeitsstörung mit und ohne Hyperaktivität als behandlungsbedürftige Krankheit ins DSM (also dem Verzeichnis aller diagnostizierbaren psychischen Erkrankungen) aufzunehmen. Die Abstimmung darüber erfolgte lediglich per Handzeichen.

Indem die Begriffe AD(H)S, POS, DAMP, HKS, MCD, LR, LRS und Legastenie geprägt wurden, die als Krankheit definiert wurden, klang die Diagnose wissenschaftlich abgesegnet, und so wurde der Verabreichung von Psychopharmaka Tür und Tor geöffnet. Der AKA fehlte aber immer noch das Geld, um entsprechende Kampagnen zu starten. Und so fällte die APA eine Entscheidung, die nicht nur die Medizin, sondern auch die Gesellschaft veränderte. Man bildete mit Herstellern von Psychopharmaka eine unheilige Allianz. Mit der milliardenschweren Pharmaindustrie wurde die APA innerhalb weniger Jahre zu einem der mächtigsten politischen Interessengruppen mit Lobbyisten in den Regierungen sämtlicher Staaten. Ein wachsender Einfluß auf Medien und Gerichtsentscheidungen sorgte dafür, daß immer mehr Psycho-Medikamente an immer mehr Menschen, vor allem auch an Kinder verschrieben wurden.

1978 bestätigte ein Gericht in Tokio, daß der Pharma-Gigant Ciba-Geigy (heute nach der Fusion mit Sandoz der Ritalin-Hersteller Novartis) ein Medikament auf den Markt brachte, das für schwerwiegende Nerverstörungen verantwortlich war. Wenigstens 1000 Geschädigte seien gezählt worden. Der Konzern bezahlte ein paar Millionen Schadenersatz aus der Portokasse, und verkaufte das Präparat unter anderen Namen lustig in die Dritte Welt weiter. Die Liste der Schandtaten ließe sich endlos fortsetzen, aber das kann jeder selbst nachlesen, wenn man ein bisschen recherchiert.

Vitamin R, wie es auf Schulhöfen verharmlosend genannt wird, ist auch in Drogenkreisen begehrt, und wird dort als "Speed" verkauft, das schnelle Kicks beschert. Kritiker aus der Fachwelt bescheinigen dem Stoff jedenfalls ein enormes Suchtpotential. Die Verschreibung von Ritalin wird schon lange in Tonnen gemessen, die weltweit etwa 30 Millionen Schulkinder täglich schlucken. Tendenz stark steigend. Aus medizinisch-biologischer Sicht gilt: Eine Amphetamin-ähnliche Substanz wie Ritalin wirkt so gut wie immer. Kurzfristig steigert es die Konzentrationsfähigkeit der meisten Konsumenten - Kinder und Erwachsene - egal ob mit ADHS oder ohne, wie mehrere Ärzte feststellten.

Der zunehmende Konsum von Psychopharmaka hat auch in Zusammenhang mit Gewalttaten für Schlagzeilen gesorgt. Besonders beim Absetzen des Mittels kommt es regelmäßig zu Ausrastern. Stichwort: Schulhofmassaker. Die Schüler, die dafür verantwortlich waren, nahmen regelmäßig Ritalin, was der Öffentlichkeit aber wohlweislich verschwiegen wurde. Schließlich geht es um ein milliardenschweres Geschäft.

Beethoven, Einstein und Edison galten in ihrer Schulzeit als hoffnungslose Fälle. Sogar Mozart soll als Kind hyperaktiv gewesen sein, mit einem Hang zu derben Wutausbrüchen. Es ist anzunehmen, daß sie ihr Genie nie hätten entfalten können, wenn sie ähnlich wie viele "schwierige Kinder" mit Psychpharma behandelt worden wären. Während Eigenschaften wie Zappeligkeit, Unaufmerksamkeit, Tagträumerei und Wutausbrüche früher zu einer ganz normalen Kindheit dazugehörten, fügt man heutigen Kindern unter dem Deckmantel der medizinischen Notwendigkeit Wunden zu, deren Narben oft ein Leben lang bleiben.

Wie demütigend sind für ein Kind doch Untersuchungen, um herauszufinden, ob es ein bißchen "blöd" im Kopf ist. Wie man hört, bekommen heute manchmal bis zu 40% der Schüler einer Klasse Ritalin. Leiden alle diese Kinder wirklich unter Lernstörungen, oder sind so viele gar krank, wie viele Ärzte und Schulpsychologen besorgten Eltern einreden wollen? Oder ist nicht vielmehr die ganze Gesellschaft krank, die mit ihren Kindern, mit ihrer persönlichen Zukunft, derart gemein, hinterhältig und verantwortungslos umgeht?