Zitat Zitat von Bongo Beitrag anzeigen
Wie gesagt, ich glaube ja ohnedies nicht an eine objektive Wahrheit.
übrigens ist das ein satz, den ich öfter von meinem kumpel gehört hatte, der unter schizophrenie leidet.
gerade psychotiker reden sich damit gerne ihre inhaltlichen denkfehler schön.
Hierbei handelt es sich um die Kernaussage der philosophischen Strömung "Konstruktivismus". Die Strömung ist im Laufe des vergangenen Jahrhunderts entstanden und hat nicht nur Philosoph*innen und Techniker*innen begeistert, sondern bald auch Einzug in die Psychotherapie gefunden. Vor allem Paul Watzlawick hat das schon früh in die Psychotherapie eingebaut und damit unzähligen Menschen geholfen. Wenn ich mich richtig erinnere, berichtet er unter anderem von einem Mann, der felsenfest davon überzeugt war, unter seinem Bett würde ein Monster leben, wodurch es auch immer wieder zu Konflikten mit der Ehefrau gekommen war. Ein Wahrheitsfanatiker oder eine Wahrheitsfanatikerin würde jetzt vielleicht versuchen, dem Mann einzutrichtern, dass es keine Monster geben würde. Watzlawick hat jedoch dem Ehepaar Möglichkeiten angeboten, wie sie trotz dem Monster ein gutes Leben miteinander verbringen konnten. Damit hat er in meinn Augen den Grundstein gelegt für fast jedes moderne Coaching bzw. Mediation, ohne die in der heutigen Welt gar nichts funktionieren würde. Es ist nämlich im menschlichen Umgang miteinander ziemlich egal, ob man an Monster glaubt, sondern nur wichtig, dass man einen respektvollen Umgang miteinander pflegt.

selbstverständlich gibt es auch sachverhalte/dinge, über die nur meinungen zulässig sind.

trotzdem kann man nicht pauschal die existenz einer objektiven wahrheit verneinen.
ich finde es geradezu faszinierend borniert, so etwas ("es gibt keine objektive wahrheit") zu konstatieren.
Dir sei Deine Meinung unbenommen. Ich würde jedenfalls nicht von objektiven Wahrheiten reden, sondern höchstens von einem sehr weit verbreiteten Konsens.

beispiel 1:
wenn ein mit normaler kleidung bekleideter mensch auf einem bahngleis steht, und mit einem zug kollidiert, der mit (nehmen wir mal den ICE) 200 km/h unterwegs ist, dann wird dieser mensch sterben.

beispiel 2:
schwarz ist nicht weiß.

beispiel 3:
wer keine nahrung und keine flüssigkeit zu sich nimmt, stirbt früher oder später.

wo genau siehst du da die möglichkeit, diese wahrheiten zu negieren (oder anders zu sehen)?

vllt versteh ich ja deine behauptung falsch, aber magst du sie uns mal bitte anhand eines dieser (oder einem ähnlichen) beispiel/e erläutern?
Beispiel 2 läuft in meinen Augen auf ein ziemliches Definitionsproblem hinaus. So lange wir innerhalb eines geschlossenen logischen System bleiben, habe ich auch überhaupt kein Problem damit, die Konzepte "wahr" und "falsch" zu verwenden, weil sie eben Teil des Spiels "Logik" sind. In der echten Welt kannst Du z.B. zehn "weiße" T-Shirts hernehmen und diese in unterschiedlicher Abstufung schwarz färben, sodass Du einen Farbverlauf von "weiß" über "grau" hin zu "schwarz" erhältst. Innerhalb dieses Kontexts wirst Du wahrscheinlich bei den Teilnehmer*innen eines Experiments den Konsens herstellen, dass das hellste T-Shirt "weiß" und das dunkelste "schwarz" ist. Aber was ist, wenn Du das dunkelste T-Shirt herausnimmst? Wird dann vielleicht das zweit-dunkelste als "schwarz" akzeptiert?

jeder sachverhalt/jedes erklärungsmodell, das widerlegt wurde, muss schlichtweg weiter erforscht, revidiert und ergänzt oder korrigiert werden, bis man die objektive wahrheit gefunden hat, die für alle eventualitäten gilt.
Auch diese Auffassung ist natürlich möglich, und wird auch immer noch viele Anhänger finden. Für mich klingt das, je nachdem wie vehement diese "objektive wahrheit[...], die für alle evantualitäten gilt" eingefordert wird, irgendwo zwischen logischem Empirismus, auch Neopositivismus genannt und kritischem Rationalismus. Mittlerweile haben wohl die meisten Wissenschafter aufgehört, nach einer Weltformel zu streben, aber sogenannte "Unifiying Theories", die zumindest Teilbereiche miteinander verbinden wollen, kommen immer wieder auf.

alles andere ist (mit verlaub) unsinn.

ob jemand sich aus selbstschutz mit irgendwelchen aspekten nicht befassen möchte, negiert nicht die existenz einer faktischen erklärung - es bedeutet nur, das sich derjenige aus selbstschutz nicht der objektiven wahrheit stellen will.
Selbstschutz und Überleben sind schon sehr wichtige Kategorien. Einer der bedeutendsten österreichischen Logiker ist an Verhungerung gestorben, weil er felsenfest davon überzeugt war, dass man ihn vergiften wolle und daher die Nahrungsaufnahme verweigerte. Und natürlich gab es auch unzählige Tote in den Kriegen, bei denen es darum ging, welche Gottheit gemäß objektiver Wahrheit denn nun folgerichtig anzubeten sei.

Letztendlich darf jeder selbst darüber entscheiden, welche Weltanschauungen nun akzeptabel sind.

Liebe Grüße aus Niederösterreich!