Original von Elisabeth Brainin
Die Tendenz des Lust-Unlust-Prinzips, Lust zu erlangen
und Unlust zu vermeiden, gerät nur zu leicht in Vergessenheit. Das innere
narzißtische Gleichgewicht beruht auf dem Versuch des Ich, ein Libido-
Gleichgewicht herzustellen, das demselben Prinzip unterliegt. Dafür
werde ich Illustrationen, die aus Analysen von Kindern und Erwachsenen
oder aus der direkten Kinderbeobachtung stammen, benützen.
Ich beginne mit einer Kinderbeobachtung: Katharina, ein kleines,
sehr munteres Mädchen von etwas mehr als zwei Jahren, trägt noch eine
Windel. Sie bewegt sich mit ihrer Windel, als ob diese zu ihrem Körper
gehörte, und hat keine Lust, den Topf oder das Klo zu benützen. Der
Beobachter gewinnt den Eindruck, daß Katharina das Laufen mit der
Windel großen Spaß bereitet. Als sie gewickelt werden soll, äußert sie
lautstarken Protest. Sie möchte um jeden Preis vermeiden, daß ihr die
Windel von ihrem Genitale und ihrem Popo entfernt wird, und ver-
sucht, sie mit den Händen zwischen ihren Beinen festzuhalten. Erst mit
der neuen Windel zwischen den Beinen ist sie wieder beruhigt, sie
möchte sie dann selbst befestigen und ist zufrieden.
Die kleine Szene erweckt in mir die Vorstellung, daß Katharina die
Windel in ihr Körperbild derart integriert hat, daß sie den Windel-
wechsel als schmerzhaften Verlust eines Körperteils empfindet, der ei-
ner Kastration gleichkommt. Das lustvolle Bewegen mit der Windel
ermöglicht eine unmittelbare Reizung und Erregung der analen und
genitalen Regionen, die sie nicht missen will. Der Protest richtet sich
gegen die Mutter, die den Windelwechsel durchführt.
Einige Tage später erinnere ich mich in einer Analysestunde wieder
an diese Beobachtung. Frau X. erzählt einen Traum: Einige Männer ste-
hen gemeinsam in einem Pissoir und urinieren. Sie selbst ist mitten-
drin, als ob sie ein Mann wäre. Dazu berichtet sie einige Einfälle. Sie sei
beim Verkehr mit ihrem Mann sehr zornig und wütend geworden, was
sie an ihre Wut als kleines Mädchen erinnerte, wenn sie das Liebesleben
ihrer Eltern belauschte. Damals sei sie stocksteif in ihrem Bett gelegen,
um ihre eigene Erregung kontrollieren zu können. Dabei hätte sie die
Decke zwischen die Beine gepreßt. Dazu fällt ihr wiederum eine andere
Erinnerung ein: Als kleines Mädchen hätte sie sich einmal geweigert,
sich von der Mutter wickeln zu lassen. Einen ganzen Tag lang gelang es
ihr, der Mutter immer wieder zu entkommen. Beide warteten auf den
Vater. Die Mutter, weil er das Mädchen wickeln sollte, das kleine Mäd-
chen in der Hoffnung, er werde ihr die Windel lassen. Das Mädchen
wurde, wie so oft, von ihrem Vater schwer enttäuscht. Er nahm ihr
schließlich die Windel weg.