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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Familiengeheimnisse



Ixy
02.11.2025, 14:21
1 Familientradition

Weiße Schneeflocken fielen langsam gegen die dunklen Fenster der Terrassentüre. Aus einem dieser Fenster starrte ein blonder Junge gedankenverloren in den Garten und verfolgte die Schneekristalle, die langsam, aber sicher auch den letzten Rest Gras unter einer weißen Schicht eisiger Kälte begruben. Leo saß jedoch im Warmen. Genauer gesagt, am Wohnzimmertisch seiner Großmutter. Und vor ihm lag ein weihnachtlich gestaltetes Stück Papier mit der Aufschrift „Leos Wunschzettel“. Auch wenn Leo ganz genau wusste, dass es den Weihnachtsmann nicht gab und dass der Wunschzettel nicht, wie seine Eltern jahrelang behauptet hatten, an den Nordpol geschickt werden würde, damit eben dieser nichtexistierende Weihnachtsmann ihm Geschenke unter den Tannenbaum legen konnte, so war es doch alte Tradition, dass die gesamte Familie am ersten Adventssonntag bei Oma Barbara zusammenkam und alle Kinder ihre Wunschzettel ausfüllten.
So saß er nun hier, im altmodischen Wohnzimmer seiner Großeltern und starrte aus dem Fenster in die Finsternis. Es herrschte ein reges Treiben. Links von ihm saßen seine zwei siebenjährigen Schwestern Nora und Anna. Sie waren Zwillinge, vier Jahre jünger als Leo und besuchten die erste Klasse der örtlichen Grundschule. Mit Unterstützung ihrer Mutter setzten sie hochbemüht die erst neu gelernten Buchstaben auf ihrem Wunschzettel zusammen, um dem Weihnachtsmann ihre Wünsche aufzuschreiben. Rechts von ihm saß sein Cousin Benedict. Als Leo vor wenigen Momenten einen Blick auf dessen Wunschzettel geworfen hatte, hatte er gesehen, dass dieser prall gefüllt gewesen war. Auf der anderen Seite des Tisches saß seine Cousine Lara. Sie war Benedicts Schwester und mit ihren 15 Jahren die älteste am Tisch. Auch sie ließ diese Tradition über sich ergehen, hauptsächlich, um den Kleineren die Illusion des Weihnachtswunders zu bewahren.

Leos Fokus jedoch, lag nicht auf seinen Wunschzettel. Naja, eigentlich schon irgendwie, irgendwie aber auch wieder nicht. Er wusste ganz genau, was er am liebsten auf seinen Wunschzettel geschrieben hätte. Das wusste er jedes Jahr. Schon im Kindergartenalter, als er seinen Wunschzettel noch gemalt hatte, hatte er schon gewusst, was er sich am liebsten gewünscht hätte. Doch nie hatte er den Mut aufgebracht, seinen innigsten Wunsch auf das Blatt Papier zu bringen.

...

Read the original news thread here (https://www.wb-community.com/showthread.php?t=63124).

KleinerHeld
03.11.2025, 14:42
Vielen Dank für deine Geschichte. An dieser Stelle hast du mich endgültig gehabt:

„Ich wünsche mir, dass ihr mir, wenn ich schon jede Nacht ins Bett mache, endlich Windeln kauft. Saugfähige Windeln, damit mein Bett trocken bleibt.“? Nein, ganz sicher nicht…
Oh wie ich diesen Wunsch nachvollziehen kann. Als wäre es erst gestern gewesen, habe ich immer noch diese Szene vor meinem inneren Auge wie meine Mama - in ihrer Verzweiflung - droht „Wenn das Bettnässen nicht aufhört, kaufe ich dir wieder Windeln“. Ich wollte so gerne sagen „ja! Bitte mach das, das würde mir sehr helfen“ aber das traute ich mich damals nicht und so war jede Nacht das Bett nass. Meine Mama hat ihre „Drohung“ nie wahr gemacht.

Petzolini
03.11.2025, 18:06
Respekt, wer sich so eine Mühe mit dem Schreiben macht. Bitte weiter so. Liest sich ganz prima, wo die Reise hingeht werden wir bestimmt noch erfahren LG

Petzolini
04.11.2025, 08:05
Echt niedlich geschrieben, mach weiter so. Daumen nach oben

nice.smile
05.11.2025, 12:48
Sehr schöne Fortsetzung.
Teil 1 hatte ich ja schon auf Windelgeschichten.org kommentiert.
Bei der Überschrift "Verplappert" hatte ich kurz Sorge, dass er sich bei den Eltern verplappert und als Großmutter geklopft hat die Befürchtung dass sie auf dem Flur was gehört hat.
Leo sollte sie auf jeden Fall darauf hinweisen, dass die Hose falsch herum ist damit das nicht die Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zieht. Wenn die Großmutter so auf Privatsphäre achtet ist sie vielleicht eine verständnisvolle Ansprechpartnerin die Lara helfen könnte und wenn Lara sich ihr anvertraut hat in ihrem Auftrag mit den Eltern sprechen kann und es so verpacken kann, dass die Eltern nicht wissen, dass es von Lara kommt "macht sie jede Nacht ins Bett?...Wäre da saugfähige Unterhose nicht besser?..." vielleicht ist es ja so dass der Vater genau wie Lara am anfang total dagegen war und inzwischen offener ist aber denkt dass es für Lara weiter ein Nogo ist und er es nicht ansprechen will.

Bist du zufällig am Samstag in Mannheim? Dann könnten wir mal drüber quatschen...

Grüße Volker

KleinerHeld
05.11.2025, 13:32
Wow :o auch die Fortsetzung ist einfach super geworden. Ich kann es gar nicht abwarten zu erfahren, was genau Leos Wunsch ist. Aber noch mehr interessiert mich, wie es mit Lara weitergeht. Ich bin ganz fasziniert davon, einfach weil es Erinnerungen in mir hochholt.

Ixy
07.11.2025, 15:18
Bist du zufällig am Samstag in Mannheim? Dann könnten wir mal drüber quatschen...


Was ist denn am Samstag in Mannheim? Habe nicht geplant, dort hin zu fahren, wohne tatsächlich aber gar nicht so weit entfernt. Findet da irgendein Event statt?

Und viel Spaß euch allen mit Teil 5 & 6 :)

Traumtänzer
28.11.2025, 23:29
Das Geheimnis der beiden, doch recht ungleichen Cousins, ist ein nettes Motiv. Wenn du die Geschichte fortsetzt werde ich sicher mal wieder reinlesen :)