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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Über ABDL-Geschichtenkultur und Consent



Löwenjunge
07.07.2023, 13:17
Wie ihr vielleicht wisst, habe ich vor kurzem meine Geschichte „Ein Haus voller Jungs“ ins Englische übersetzt, um sie auf diversen einschlägigen Seiten zu posten. Dabei wurde mir zum ersten Mal so richtig klar, dass es hier durchaus ein paar Unterschiede zwischen den deutschen und internationalen ABDL-Communities gibt, was ein kleiner Kulturschock für mich war. Diese Unterschiede führten jetzt sogar (mutmaßlich) dazu, dass ich die Geschichte auf einer Seite schlicht nicht posten kann.

Während der Übersetzung fiel mir auf, dass viele internationale Foren, zumindest in der Theorie, Regeln gegen ABDL-Geschichten mit minderjährigen Charakteren haben. Das ist irgendwo verständlich, da Länder wie die USA im Vergleich zu Deutschland wesentlich strengere Gesetze zum Age of Consent / Schutzalter haben. Zumindest je nachdem, in welchem Staat man ist (die USA sind da sehr chaotisch – von 13 (z.B. Conneticut) bis 18 (z.B. Idaho) ist alles dabei, und dann spielt ggf. noch eine Rolle, ob der Partner in einer Autoritätsposition ist (was durchaus vernünftig zu berücksichtigen ist). In Deutschland gilt für die allermeisten Situationen das Schutzalter 14. Und wenn ein Forum für Minderjährige zugänglich ist oder sogar deren aktive Teilnahme explizit erlaubt, sollten und müssen sexuelle Inhalte natürlich eingeschränkt oder ganz darauf verzichtet werden.

Aber das alleine erklärt den Unterschied meiner Meinung nach nicht ausreichend. Zum einen, weil es davon ausgeht, das ABDL-Geschichten automatisch sexueller Inhalt sind. Das könnte man als Außenstehender natürlich zunächst annehmen und argumentieren, dass die Protagonisten dieser Geschichten praktisch automatisch sexualisiert / objektifiziert werden. Diese Haltung kann ich aber aus zwei Gründen nicht mittragen.

Erstens sind viele Geschichtenautoren selbst minderjährig. Diese Neigung entdecken die allermeisten nicht erst mit der Volljährigkeit, ich habe schon Geschichten von 13-jährigen Autoren gesehen. Als minderjähriger Autor wirst du eher nicht erwachsene Charaktere als Hauptfiguren schreiben. Und so sehr verwundbar gerade die jüngeren Mitglieder solcher Communities auch sind und vor Leuten geschützt werden müssen, die sie ausnutzen würden, brauchen sie ebenso die Möglichkeit, mit Gleichaltrigen und älteren Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen, die schon etwas weiter sind und ihnen dabei helfen können, mit den oft sehr gemischten Gefühlen, die mit diesen Vorlieben meist einhergehen, umzugehen.

Aber noch viel wichtiger ist der zweite Punkt: Es geht in diesen Geschichten oft um die eigenen Fantasien und Wish-Fulfillment. Viele schreiben über das, was sie selbst gerne erleben würden oder (als Kind) erlebt hätten. Sexuelle Aspekte sind in solchen Geschichten meiner Erfahrung nach die Ausnahme, und wenn es sie gibt, ist es oft im Kontext von Dingen wie z.B. der ersten großen Liebe und/oder Coming-Out mit Gleichaltrigen. Also durchaus die üblichen Themen, plus eben diese weitere Wendung.

In der Praxis, würden die von mir beschriebenen Regeln so durchgesetzt, hätten wir dann eine meiner Meinung nach sehr paradoxe Situation, in der sexuelle ABDL-Geschichten als legitim betrachtet werden (solange die Charaktere alle volljährig sind, versteht sich), aber nicht-sexuelle ABDL-Geschichten als gefährlich, nur weil minderjährige Charaktere vorkommen oder die Hauptrolle haben.
Und das ist bevor wir zusätzliche boardspezifische Regeln anschneiden. Auf einigen Seiten sollen minderjährige Charaktere in Geschichten nicht Opfer von Missbrauch / Gewalt durch Vertrauenspersonen werden. Die Regel ist für mich interessant, weil meine Geschichte da in eine Grauzone fällt – die Protagonisten befinden sich zwar nicht mehr in einer solchen Situation, haben sie aber in ihrer Kindheit erlebt und sprechen gelegentlich darüber oder erinnern sich daran. Und auch wenn ich da bewusst nicht zu sehr ins Detail gehe und sich die Leser da ihren Teil denken dürfen, könnte ich diesen Aspekt nicht einfach raus schneiden. Er ist ein Kernbestandteil der Charakterisierung meiner Protagonisten, und der Grund, wieso die Familie Ziegler so zustande kam, wie sie in der Geschichte vorkommt. Abgesehen davon verdienen genug Kinderbuchautoren ihren Lebensunterhalt z.B. mit Kinderkrimis, wo die Protagonisten auch durchaus mal bedroht werden oder anderweitig Gewalt erleben.

Auf den Boards mit solchen Regeln hatte ich tatsächlich in der Praxis bisher keine Probleme. Dafür verschwand meine Geschichte gleich zwei mal von einer anderen Seite, die kein Regelwerk zu dort veröffentlichten Geschichten anbietet – beide Male ohne irgendeine Erklärung, selbst auf gezielte Nachfrage meinerseits. Diese Seite hat dabei kein Problem mit offen sexuellen ABDL-Inhalten, daher sehe ich die minderjährigen Protagonisten meiner Geschichte als einzige Erklärung. Und angesichts der oben beschriebenen Dissonanz, die daraus entsteht, finde ich das schade. Ich glaube, dass das nicht dem Geist des Gesetzes entspricht, und verstärkt nur die Wahrnehmung, dass ABDL-Geschichten erotischer Natur sein müssen.