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Thema: Abschied

  1. #1
    das kleine Gespenst
    inaktiv

    Abschied

    Vor einiger Zeit habe ich mich hier vorgestellt – dafür ist dieses Plätzchen ja auch da. Ich wurde nett begrüßt und durfte sogar ein paar sehr interessante Menschen kennenlernen. Wobei „kennen“ wohl etwas übertrieben sein dürfte, da vor allem ein Kontakt leider sehr plötzlich abbrach. Worüber ich eigentlich sehr traurig bin, da ... mir die Gespräche irgendwie nicht aus dem Köpfchen gehen und ich nicht weiß, warum. Aber was hilft es schon, dem Vergangenen nach zu trauern ..?

    Und jetzt ist es soweit, dass das kleine Gespenst ausziehen muss. Weil sich viel verändert hat. Sehr viel. Am meisten wohl das kleine Gespenst selbst. Vielleicht mögt ihr ja die kleine Geschichte vom kleinen Gespenst lesen, auch wenn es sich dabei nicht um eine Vorstellung, sondern um einen Abschied handelt?




    Das kleine Gespenst verschwindet

    Seit langer, langer Zeit spukte das kleine Gespenst durch die alte Burg Eulenstein. Wer es erhaschen mochte, der hatte in der alten Bibliothek am meisten Glück ... Wenn im silbrighellen Mondlicht, das durch die hohen Fenster fiel, feinste Staubkörnchen zu tanzen begonnen, dann war es sehr gut möglich, dass das kleine Gespenst nicht weit davon auf der Lauer lag und sein Unwesen trieb. Denn der kleine Quälgeist liebte es, zwischen den hohen, bis an die Decke ragenden Regalen vorbei zu huschen, die vollgestopft waren mit dicken alten Büchern. Dabei plumpste immer mal wieder eins der bibliophilen Meisterwerke mit einem lauten Poltern auf den Steinboden. Wäre jemand da gewesen, der sich erschrecken konnte – glaubt mir, ihn hätte es bis ins Mark erschüttern. Denn wer würde schon damit rechnen, dass in der großen alten Bibliothek plötzlich und von ganz allein Bücher aus den dunklen Holzregalen purzeln? Das Heulen des Windes dürfte niemanden ernsthaft überrascht haben und auch das Knarren und Knacksen der alten Balken nicht. Aber Bücher fallen nun einmal nicht von selbst ganz plötzlich zu Boden! Mag sich da der- oder diejenige gedacht haben. Wer oder was befindet sich also noch in dem großen Lesesaal oder zwischen den endlos scheinenden Gängen der Bücherwände?
    In solchen Momenten freute sich das kleine Gespenst wie ein ... nun, wie ein kleines Gespenst eben! Es Kicherte und Quiekte vor Freude, wenn es ihm gelang, jemand einen gehörigen Schrecken einzujagen. Dabei geschah so etwas aber so gut wie nie. Denn wer verirrte sich schon zur Burg Eulenstein?

    Die Burg moderte und alterte vor sich hin. Verfiel. Das Dach war schon lange undicht und das kleine Gespenst hatte sich vom Dachboden, auf dem seine Kiste für den Tagschlaf stand, ins Kellergewölbe zurückgezogen.

    Dort war es zwar auch feucht, aber nicht nass! Das kleine Gespenst fand es nämlich alles andere als lustig, wenn es plötzlich aufwachte, weil es in einer großen Pfütze lag. Wohlgemerkt, weil es in Strömen durchs Dach geregnet hatte. Anfangs dachte es ja, dass ihm ein Malheur passiert wäre. Eins von der Sorte, wie es kleinen Kindern hin und wieder passiert und sie aus Versehen im Schlaf einpullern. Gut, dafür war es eigentlich schon zu groß - von seinem Alter ganz zu schweigen - trotzdem hatte es sich, nur zur Sicherheit, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen einfallen lassen.
    Gegen die immer größer werdenden Löcher im Dach konnte es allerdings nichts unternehmen. Da halfen leider keine Mull- und Moltontücher, samt Windelhosen, die es in den Kommoden fand.

    Von da an schlich es bei Morgengrauen die große steile Wendeltreppe ins Gewölbe hinab – tief in die Katakomben der Burg hinein, wo es nicht gefunden werden konnte und es einigermaßen trocken war. Anfangs hatte es ihn schon einiges an Überwindung gekostet, denn selbst ein Gespenst konnte so etwas ähnliches wie ein mulmiges Gefühl bekommen - erst Recht wenn es noch ein kleines war. Was es nämlich auf den Tod nicht ausstehen konnte, waren kleine Krabbelviecher! Na ja, vielmehr hatte ihn sein abgrundtiefer Ekel vor Spinnen über den Tod hinaus bis in sein Gespensterdasein verfolgt und war ihm als Marotte geblieben.
    Viel Zeit und noch mehr Überwindung hatte der kleine unermüdliche Geist damit zugebracht, sich ein gemütliches Plätzchen zu suchen und einzurichten, an dem es sauber und kuschelig war. Frei von Spinnweben, Moder und Krabbelgetier. Die Sachen aus der Kommode hatte es aber zur Sicherheit mit in seinen neuen Unterschlupf genommen. Man konnte ja nicht wissen.

    Eines Tages, es war im bitterkalten Winter und es hatte viele Tage und Nächte lang geschneit, erwachte das kleine Gespenst durch ein donnerndes Krachen. Dick hatte es sich in weiche Decken und Kissen gegraben und hatte tief und fest geschlafen, vielleicht sogar geträumt, als es durch einen Donnerschlag erwachte. Was war geschehen? Dem ersten Donner folgte ein langgezogener zweiter, der in ein markerschütterndes Krachen und Poltern überging und durch die dicken Gemäuer hallte. Auch wenn dem kleinen Gespenst kein Herzschlag mehr bis zum Halse reichen konnte - es war ja ein Gespenst, in dessen Brust nun mal kein Herz mehr schlägt - so zitterte und bibberte es und hatte eine fürchterlich schreckliche Angst. Ja, es hatte Angst. Sehr sogar. Denn solche lauten Geräusche hatte es noch nie gehört. Selbst zu Lebzeiten war der Donnerschlag der Kanonen nicht so laut gewesen und an die konnte es sich noch gut erinnern.
    Es musste etwas ganz, ganz schreckliches passiert sein. Etwas, dass plötzlich alles für das kleine Gespenst verändern würde. Das wußte es, konnte es spüren.

    Zitternd macht es sich auf den Weg zum Treppenaufgang, um zu sehen, was geschehen war. Dabei war es ihm egal, ob es Nacht war oder Tag. Was sollte schon schlimmeres passieren, als dieses fürchterliche Rumpeln und Krachen? Das Sonnenlicht? Es war winterlich duster; und wenn schon, sollte ihn das Taglicht einschwärzen und zu einem anderen seiner Art - einem schwarzen Taggespenst - machen. Ihm ging sogar der Gedanke durch den Kopf, ob es nicht mit allem vorbei sein könnte. Vorbei mit dem Herumgeistern und Spuken, dem Umherhuschen und sich in Luft auflösen, dem Erschrecken und der gespensterkindlichen Freude dabei.

    Es hatte die Gewölbe noch nicht ganz hinter sich gelassen, da sah es mit Entsetzen, was passiert sein musste. Denn das vollständige Ausmaß des Schreckens war so fürchterlich groß, dass ein Krümelchen davon ausreichte, um zu wissen, dass die allerschlimmsten Befürchtungen gerade dabei waren, Wirklichkeit zu werden.

    Das kleine Gespenst war allein. Allein in einem Gewölbe, dass zu keiner Burg mehr gehört, weil diese begonnen hatte, eine Ruine zu sein. Der Schnee auf den Dächern war zu schwer geworden. Das Wasser in den Gemäuern, in das es schon lange einsickerte, war gefroren und hatte selbst meterdicke Mauern gesprengt. Jahrhundertealte Balken aus noch älterem Holz waren morsch geworden oder ganz einfach unter der Last geborsten und zersplittert.
    Mit offenem Mund schlich das kleine traurige Gespenst in seinem weißen Wollhemdchen über den vielen Schutt, der die Treppe heruntergepoltert war und zog dabei seinen langen Schal wie einen Schatten - den es als Gespenst nicht mehr hatte - hinter sich her. Große Tränen kullerten und tropften seine Wangen hinab, bis sie in der warme Wolle verschwanden.
    Die Wendungen der Treppe waren zwar lang und doch lag auf jeder Stufe das Geröll aufgetürmt, das herabgestürzt und die ganze Treppe verschüttet hatte. Mit jedem Stein, den das arme Nachtwesen hinter sich liegen ließ, wog die Traurigkeit schwerer in ihm. Es begann zu glauben, dass nichts mehr ganz sein konnte, wenn so viel zu Bruch gegangen ist. Endlich hatte es das Ende der Treppe erreicht und stand in einer dichten Wolke aus Staub und Schnee, durch die es auf eine fast völlig eingefallene Burg blickte. Kaum etwas war noch übrig. Nur ein Türmchen stand noch und hielt sich wackelig und windschief zwischen und über den Resten der Außenmauern mit den vielen Zinnen.

    Der Dunst hatte sich noch nicht ganz gelegt, als plötzlich die finsteren Schneewolken aufrissen und ein goldener Lichtstrahl die Luft zum Glitzern brachte.
    Das Gespenst blinzelte und war so starr, dass es gar nicht erst daran dachte sich umzudrehen, die Ärmchen vors Gesicht zu halten oder so schnell wie möglich in den Schatten zu flüchten. So hell wie der Schnee aufblitzte und zu strahlen begann, so schnell begann das kleine Gespenst zu dunkeln. Wie Feuer und abertausende von Nadeln brannte und stach das Sonnenlicht auf seinem Gesicht. Jeder Lichtstrahl tat ihm einzeln weh und es konnte riehen, wie es zu versengen begann. Immer stärker wurde der Schmerz. Fast unerträglich. Doch plötzlich war er weg. Verschwunden. Ebenso, wie die Burg verschwunden war, in der das kleine Gespenst gelebt und gespukt hatte, weil es sein Gespenst war.

    ...

  2. #2
    Senior Member Avatar von Ronja Räubertochter

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    Ich sehe noch Gespensterkacke! Du bist wohl noch da! Also weiter mit der Geschichte!

    Eine gute Zeit
    Ronja

  3. #3
    inkontienente25
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    :P :P

  4. #4
    das kleine Gespenst
    inaktiv


    Da sind wohl zumindest zwei, die wissen wollen, wie die Geschichte weiter geht. Das ist schön und freut mich riiieeesig! Ganz ehrlich!!!



    Das kleine Gespenst, das hast Du sehr gut und richtig erkannt, liebe kleine Ronja, ist nämlich noch da. Zumindest ein bisschen. Und die Geschichte vom kleinen Gespenst ist auch da - schon oder noch oder pffft. Aber sie muss eben erst noch getippt werden. Ganzganzviele große Buchstaben und noch viiiieeel mehr kleine und dann auch noch Punkte und all das. Und das Tippen und Tappen dauert eben seine Zeit. Leider. Oder zum Glück ..? Hm ... *seufz*

    Deshalb ... oje, ich muss es einfach sagen, obwohl es mir ganz fürchterlich schwer fällt: Alle Neugierigen, bittebittebitte habt noch ein klitzewenig Geduld, ja? Schafft ihr das? Das wäre sehr schön, wenn ihr das schaffen würdet! Nur noch ein bisschen, ja?!

    Und ich verspreche euch, dass ich mich mit dem Tippen genau so anstrenge, wie ihr mit dem Geduldigsein.

    Bis ganz bald & viele liebe Grüße!

  5. #5
    Trusted Member Avatar von saltor

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    Klar warten wir. Auch wenn Geduld nicht gerade meine Stärke ist.

  6. #6
    Baby_Johannes
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    Es ist immer schade, wenn sich jemand verabschiedet, und da dies für gewöhnlich nicht grundlos geschieht.....

    Bin sehr gespannt wie die Geschichte weitergeht. Muss ganz ehrlich sagen (vielleicht liegt es daran, das ich mich in letzer Zeit hier ein wenig zurückgezogen habe), aber ich habe dich bisher nicht wirklich bewusst wahrgenommen. Doch dein Schreibstil ist wirklich toll und man kann sich gut hineeinversetzen in diese 'Abschiedsgeschichte'

  7. #7
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    Wow! Du kannst echt spannend schreiben.

  8. #8
    das kleine Gespenst
    inaktiv
    ...

    Das kleine Gespenst war ziemlich starkem Sonnenlicht ausgesetzt. Und das nicht nur für einen kurzen Moment, sondern ziemlich lange sogar. Lang genug, dass es sich von einem weißen Nachtgespenst in ein schwarzes Taggespenst zu verwandeln begann. Dem armen Ding musste es dabei vorgekommen sein, als wenn es verbrennen würde, denn die Schwärzung war nicht nur optischer Natur, sondern eine wirkliche Veränderung der Haut. Soweit man bei Gespenstern von Haut reden kann, denn Gespenster haben ja eigentlich keine richtige Haut mehr, sondern eben Gespensterhaut. Vielleicht war es bei diesem Gespenst aber noch etwas mehr von der Haut, wie wir sie kennen, da es ja noch ein kleines und jung zu nennendes Wesen seiner Art war. Wer kann das schon genau sagen ..? Jedenfalls tat das Licht dem kleinen Gespenst mächtig weg und es hat sich natürlich auch sehr erschrocken, als es plötzlich so hell von der Wintersonne angestrahlt wurde. Der Schreck war sogar so groß, dass es nur noch stocksteif dastehen und sich keinen Millimeter mehr rühren konnte. Und so begann es eben langsam schwarz und immer schwärzer zu werden und der Schreck, mitsamt der Schmerzen wurde immer größer und größer, bis es ihm zu viel wurde und es einfach zusammensackte und auf den steinigen Boden fiel.

    Wie es der Zufall manchmal will, kullerte das kleine Gespenst in den Schatten eines großen Stücks Bruchsteinmauer. Und da lag es nun. Ganz allein und zusammengekrümmt, wie ein Häufchen Gespenst gewordenes Elend, über dem ein Tuschefäschen ausgeschüttet worden war.
    Irgendwann zogen sich am Himmel die Wolken wieder zusammen und über die junge Burgruine senkte sich die für Eulenstein nicht ungewöhnliche Düsternis. Davon bemerkte das kleine Gespenst nicht das Geringste. Es lag da, wie es hingefallen war und da es ja als Gespenst nicht mehr atmete, konnte man nicht einmal eine Vermutung anstellen, wie es ihm ging. Der Schatten, der wie eine dunkelgraue Decke über ihm lag, wurde immer länger und länger und floss nach und nach in die hereinbrechende Dämmerung, die sich rasch ausbreitete.

    Was war geschehen, dachte sich das kleine Gespenst, als es plötzlich zu sich kam. Bin ich tot? Quatsch! Ein Gespenst kann nicht mehr sterben, sonst wäre ich ja kein Gespenst. Oder habe ich mich aufgelöst? Bin verbrannt? Von den Sonnenstrahlen aufgezehrt und so lange schwarz geworden, bis nur noch Ruß und Asche von mir übrig blieben? Auch Quatsch, denn sonst könnte ich ja nicht mehr diese Gedanken haben, oder? Und außerdem tut mir alles fürchterlich weh und meine Gespensterhaut brennt, als hätte ich mir die Rheumasalbe von Oma Adelheid überall hin geschmiert ... Ohhh ...

    Das waren also die ersten Gedanken, die sich in dem Gespensterköpfchen zu regen begannen, als das kleine Gespenst langsam wieder zu sich kam und aus der tiefsten Ohnmacht, in die ein Geisterwesen überhaupt hinabplumpsen kann, erwachte.
    Dann begann es zu blinzeln und versuchte, den Kopf zu heben und zu drehen, um festzustellen, wo es war, denn im Freien und im Geröll lag es auf jeden Fall nicht mehr.
    Sorgsam zugedeckt lag es auf einem dicken, weichen Etwas und sein entstelltes Gesichtchen ruhte auf einem dicken weißen Kissen. Aber es war nicht etwa ein Bett, in dem es lag. Sondern ein Sarg. Das kleine Gespenst lag aufgebahrt in einer Gruft, die sich tief unter den Resten der Burg Eulenstein in den weitverzweigten Katakomben befand. Und bevor es die Gestalt wirklich wahrnehmen konnte, die neben ihm kniete und sich zu ihm hinabbeugte, waren ihm die Augenlider schon wieder zugefallen und der Schlaf hatte es übermannt. Aber wie um Himmelswillen ist es in diese Gruft hingekommen und wer war diese schwarz gekleidete Gestalt?

    Nun, der Himmel hatte jedenfalls nichts damit zu tun. Ihm hatte es ja zu verdanken, dass es ein Opfer seines Lichts wurde und die Besinnung verlor, so sehr hatte die Sonne ihm weh getan und zu groß war der Schock über den Einsturzes seiner geliebten Burg und die einsetzenden Schwärzung von ihm selbst.
    Seit alters her wurden die Herrinnen und Herren, mitsamt ihrer Ritter, Burgfräulein, Mägde und Knechte unter der Burg begraben. Dazu wurden tiefe Stollen in den Fels gehauen – genau wie die Brunnenschächte, Lagerräume und Keller. Die unterirdischen Gänge und Gewölbe bildeten ein weitverzweigtes Netz. Tief unter den alltäglich genutzten Räumen und hinter dicken Toren und Gittern lagen die unterirdischen Begräbnisstätten. Und eben in einer dieser Grüfte lag nun das kleine Gespenst.
    Nein, es war überhaupt nicht unheimlich und gruselig. Etwas seltsam und ungewöhnlich vielleicht. „Morbide“ sagen manche Menschen dazu, die sich besonders gewählt ausdrücken möchten und damit so tun, als seien sie besonders klug. Diese Benennung trifft die Atmosphäre aber für menschliche Verhältnisse ziemlich genau. Denn anders als das kleine Gespenst, hätten wir uns mit Sicherheit doch etwas gegruselt in dem schemenhaften Gewölbe mit all den Sarkophagen und teils eingefallenen uralten Holzsärgen, unheimlich-verschnörkelten Reliefs an den Wänden und Decken und den unter schwarzem Wachs verschwindenden Kandelabern, an denen Fetzen aus Organza flatterten. Ganz abgesehen von den Spinnweben, die dem kleinen Gespenst aber zum Glück noch nicht aufgefallen waren.
    In eben diesen Katakomben lagen aber nicht nur die bestatteten Überreste der ehemaligen Burgbewohner. In ihnen fanden seit Jahrhunderten Vampyre Zuflucht, die durch die Heirat eines Eulensteiner Burgherren mit einem betörend schönen Fräulein aus der Steiermark herrührte. Die Blässe dieser Schönen hing weniger mit ihrer aristokratischen Abstammung zusammen, als vielmehr mit ihrer tatsächlichen Blutleere und ihre jugendliche Schönheit erklärt sich in diesem Zusammenhang ganz von allein.
    Wie dem auch sei, als sich die verbliebene Mitglieder des Clans der Eulensteiner Vampyre auf ihren nächtlichen Streifzug begaben, waren sie nicht schlecht erstaunt, als sie zunächst keine gewohnte Burg, sondern nur noch die eingefallenen Reste von ihr vorfanden und ... zwischen diesen ein kleines angeschrumpeltes und schwarz gewordenes Gespenst, das sich kaum noch zu regen schien.
    Auch wenn sie Vampyre waren und damit einen nicht sonderlich rühmlichen Ruf als Vertreter von Nächstenliebe inne hatten, so brachten sie es nicht über ihre erkalteten Herzen, das ihnen fast unbekannte und seltsam veränderte Gespenst einfach so liegen zu lassen. Allen voran war vor allem Dorothee um das kleine Gespenst besorgt, hätte sie nicht vor kurzem um ein Haar eine ihrer Nichten auf tragische Weise verloren, so wie einst ihre kleine Tochter Anna. Behutsam und mit aller vorstellbaren Vorsicht hob sie das kleine Gespenst auf, wickelte es in ihren langen wollenen Umhang und begab sich, so schnell sie fliegen konnte, zurück in die Gruft. Dort bettete sie ihren Findling in einen großen, leerstehenden Sarg, der mit weißem Damast weich ausgeschlagen war und in dem das Gespenst versank, als wäre es das schönste Himmelbett.
    Dorothee versuchte, das Gespenst, so gut es ging zu versorgen. Seine Wunden bestrich sie mit Flugsalbe, die sie einmal von einer kleinen, lieben Hexe geschenkt bekommen hatte und verband all die Brandwunden und verkohlten Stellen, an denen das kleine Gespenst nicht gerade wenig aufwies. Vorsichtig legte sie mit Balsam getränkte Gaze auf und verband den hageren Körper mit Mull und Leinenbinden. Sie konnte nicht einmal mehr erkennen, was für ein Gespenst es einmal gewesen war. Da das geschundene Ding aber von so zerbrechlich wirkender und schmaler Gestalt war, solch schlanke Hände und überaus weiche Züge besaß, nahm sie einfach an, dass es einmal als Mensch ein Mädchen gewesen sein musste. Die Reste des zerfetzten Flatterhemdchens ersetzte sie durch ein hübsches Totenhemd aus feinstem Brokat. Ihr mögt euch vielleicht fragen, wieso Dorothee beim Entkleiden ihrer vermeintlichen kleinen Patientin nicht bemerkte, dass es sich um ein männliches Gespenst handelte. Das ist ganz einfach dadurch zu erklären, dass das kleine Gespenst noch seine Schlafwindel trug, denn es war ja durch den schrecklichen Einsturz der Burg aus dem Schlaf gerissen worden und sofort nach oben geeilt, um nachzusehen, was passiert war. Durch das dicke Vlies wurde eben kaschiert, was Dorothee offensichtlich gemacht hätte, dass es kein Gespenstermädchen war, das sie fürsorglich umsorgte. Und da alles trocken war, sah sie auch keinen Grund, etwas an der Windel zu ändern. So war ihre Patientin wenigstens weich und sicher verpackt und das neue „Bettchen“ auch noch vor eventuellen Unglücksfällen geschützt. Es war eben noch ein kleines Gespenst und da störte es nicht sonderlich, dass es anscheinend noch gewickelt werden musste.
    Sorgen machte ihr vielmehr der Gesundheitszustand des Gespenstes. Obwohl sie in Gespensterkunde nicht sehr bewandert war, wusste sie, wie ernst es um das kleine Wesen stand. Wie sehr es drohte, aufzuhören, ein Gespenst zu sein. Überhaupt zu sein. Sie musste sich – so schnell sie nur konnte – eine Lösung, eine Behandlung, irgendeine Art von Medizin einfallen lassen um zu helfen, um es zu retten! Zu sehr hatte sie dieses kleine Bündel schon in ihr untotes Herz geschlossen. Zu viele Erinnerungen an ihr eigenes Kind waren wieder hellwach, als dass sie ihre mütterlichen Gefühle hätte unterdrücken können. Nur kurz hatte die Kleine die blauen Augen geöffnet und sich zu regen begonnen, da war sie schon wieder ohnmächtig geworden.

    Was konnte sie nur tun?

    ...

  9. #9
    Baby_Johannes
    inaktiv
    Tragisch, tragisch,

    aber wenigstens wird versucht dem kleinen Gespenst zu helfen, auch wenn dies vielleicht nicht gelingen mag, oder mit einer Art Aufwandsentschädigung oder was auch immer verbunden ist. Ich nehme mal an, das die Geschichte vom kleinen Gespenst, an dieser Stelle nicht einfach so plötzlich und abrupt endet. Es währe schade.

    Übrigens muss ich mich bei dir bedanken: Ich habe hier auch schon einige Geschichten veröffnetlich, doch leider gingen diese den Gang vieler, da ich angefangen habe sie zu veröffentlichen bevor sie fertig waren. Von daher hab ich meine 'Schreiberlingtätigkeit' erst mal eingestellt gehabt. Dein schöner Stil hat mich aber motivert, eine Idee zu einer Geschichte, die ähnlich wie ein kleines Gespenst seit einiger Zeit immer wieder mal auftaucht umzusetzen. So wie es aussieht wird daraus auch wirklich eine Geschichte, die nicht unbeendet bleibt.

    Ich will dich nicht überreden, deinen Plan zu gehen aufzugeben. Aber vielleicht überlegst du es dir ja doch noch anders. Ich bin mir sicher, das es einige hier gibt, die sich darüber freuen würden.

  10. #10
    das kleine Gespenst
    inaktiv
    Vielen Dank für die Blumen Johannes! *schnupperblinzelfreu*

    Es freut mich sehr, dass Dir die Geschichte gefällt und sie Dir Mut macht und Dich motiviert, Deine eigene Erzählung fortzusetzen.

    Nein, die Geschichte endet natürlich nicht abrupt und auch nicht hier, genau so wenig, wie es meine eigene hier tun wird.

    Ich kann nur hoffen, dass Dir und vielleicht euch das Lesen der Geschichte genau so viel Freude gemacht hat und macht, wie sie mir beim Schreiben bereitet.

  11. #11
    Baby_Johannes
    inaktiv
    darauf kannst du nicht nur hoffen, sondern dir zumindest bei mir, und so wie es auf mich wirkt, bei den anderen auch, gewiss sein. Wobei es natürlich wie schon erwähnt eine doch eher tragische Geschichte ist. Na mal sehn, wie sie endet

  12. #12
    Senior Member

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    Es bleibt spannend. Tragisch ist die Geschicht aber nicht, sie hat nur einen nach neuem Aufbruch schreienden tragischen Wendepunkt.

  13. #13
    das kleine Gespenst
    inaktiv
    ... das könnte sein, ja ...

  14. #14
    Baby_Johannes
    inaktiv
    @ Sven: Gut möglich, aber wer sagt denn, das ich nicht auch wenn nur ein kleines bisschen, Ironie/Sarkasmus oder was auch immer das passende Wort sein mag verwendet habe *g* Tragisch in eigentlichen bzw. im drastischen Sinne (ich glaube zumindest, das man dieses Wort unterschiedlich nutzen kann) ist die Geschichte aber sicher nicht, da hast du Recht

  15. #15
    das kleine Gespenst
    inaktiv
    ... hm ...

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