Selten habe ich mich so ertappt gefühlt. Zugegeben, ich bin mittlerweile fast 20 Jahre lang in unserer Szene unterwegs, war auch Mitglied bei DPF und hatte dort 1991 mehrere hektographierte Geschichten, sogenannte "Novelettes", erstanden, die ich teils aufgeregt, teils verwundert, teils genüßlich geschmökert habe. Aber keine dieser Geschichten wirkte auf eine solch intensive Art auf mich, wie ein kürzlich erschienenen deutschsprachiges Buch:

Beebee: "Bienenkinder"

144 Seiten, schwarzweiße Abbildungen
ISBN 3-86611-386-2
Erschienen bei GGP Media on Demand , Pro Literatur
EUR 15,50

Der Autor nimmt sein Recht auf Wahrung seines Patronyms wahr und nennt sich "Beebee", veröffentlicht aber auf der letzten Buchseite seine Emailadresse sowie ein winziges Konterfei und erklärt, daß er Programmierer und (im Jahr 2008) 39 Jahre alt sei. Als Ideenquelle für seine Geschichte diente ihm, wie er schreibt, die Geschichte "Hüte Dich vor Deinen Träumen" von "Egis_dh", die ab September 2007 in diesem Forum entstanden ist.

Jurastudentin Maja ist 25 Jahre alt und absolviert ein Praktikum bei einer Anwältin. Der Zufall will es, daß eine Freundin der Arbeitgeberin einen Gefallen einfordert. Sie möchte einen "Vertrag" aufgesetzt haben, der in der Sprache der Juristen (damit es öffiziös klingt) Rechte und Pflichten in einer besonderen Art menschlicher Beziehung regelt. In der Szene der Sadomasochisten würde man von einem "Sklavenvertrag" sprechen, aber hier gilt es, ein Altersrollenspiel zu regeln. Das Rollenspiel zwischen "Mutter" und ihrer "kleinen Tochter".

Maja ist ergriffen - das, genau das, was sie dort liest, wünscht sie sich im Herzen schon immer. Wieder ein kleines Mädchen sein zu dürfen. An den Reaktionen ihrer Praktikantin meint die Anwältin erkennen zu können, daß Maja, diese blitzgescheite Praktikantin, vielleicht ihre kleine "Tochter" werden könnte, denn sie teilt die Vorliebe für diese gefühlvolle Variante des Spiels von Dominanz und Unterwerfung mit ihrer Freundin, die den Vertrag erbat.

Und ab diesem Punkt beginnt sich "Bienenkinder" von den bekannten Geschichten zu unterscheiden. Beebee versteht es nämlich, die Gefühlswelt der Beteiligten aus wechselnden Perspektiven zu beleuchten. Beginnt die Geschichte aus der Sicht der Anwältin, erlebt der Leser einige Seiten später das gleiche Zeitfenster aus der Sicht der Praktikantin Maja. Der Kunstgriff würde aber noch effektvoller wirken, wenn Beebee die Sichten der beiden Charaktäre gleich gewichtet hätte. Majas Part wirkt immer etwas oberflächlicher und gehetzter als die ausführlichen Gedanken der Anwältin.

Was der Autor aber perfekt abzubilden versteht, ist das Auf und Ab der Gefühle, der Widerstreit zwischen Sehnsucht und Angst, seinen Gefühlen und Wünschen nachzugeben. Er entwirft eine Projektion des Gefühlskosmos und begleitet die Protagonisten akribisch bei jedem noch so kleinen Schritt der Annäherung. Was in vielen Lesegeschichten unserer Szene schnell und stringent geschieht, nämlich Wickeln mit allem drum und dran, nass und voll, Zubehör und so weiter und so fort, geschieht bei Beebee ganz nebenbei. Ja, fast unauffällig. Er beschreibt lieber die emotionalen Auswirkungen als die Handlungen selbst. Liebevoll skizziert er kleine Gefühlsregungen und Bewegungen. Auch das macht "Bienenkinder" so ungewöhnlich.

Und warum heißt das Buch "Bienenkinder", zeigt das Cover doch ein Mädchen vor einem Löwenkäfig? "Bienenkinder" erzählt die Geschichte einer Regression, an deren Ende Maja sich gänzlich in ihrer Rolle als "Majakind" verlieren kann und während eines Zoobesuchs gedankenverloren vor dem Löwenkäfig kauert. Das Verhältnis zwischen den Protagonistinnen ist homoerotisch, Maja erregt ihre Rolle und die körperliche Nähe zu ihrer "Mutter". Wie Paare eigene Begrifflichkeiten erfinden, also eine "eigene Sprache" für den Umgang miteinander entwickeln, nennt die Anwältin Majas Erregung "Summen".

In den Beschreibungen der Gefühle, gerade im für und wider, in der Scham und der Sehnsucht erkannte ich alles das wieder, mit dem auch ich zu kämpfen hatte und immer noch zu kämpfen habe. Kein Autor hatte es bislang geschafft, mich derart zu ertappen.

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