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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Neuzugung als Betroffener



Auslaufmodell
02.04.2016, 09:41
Hallo,
so, ich bin „Frischfleisch“ hier in diesem Kreis und möchte mich mal in dieser Gruppe vorstellen und zu meinem Leiden bzw. meiner Behinderung einiges erzählen.

Mit circa 19 bis 20 Jahren wurde bei mir eine relativ harmlose Nierenerkrankung festgestellt, die aufzeigte, dass ich mit der „normalen“ Trinkmenge von 1 bis 2 Liter täglich nicht hinkomme. 3 Liter am Tag sollten es wenigstens sein. Seitdem war es für mich immer gut zu wissen, wo sich die nächsterreichbare Toilette befindet.

Nach diversen „peinlichen Pannen“ (nasse Kleidung …………) war ich dann ab 2010 Stammgast in urologischen Arztpraxen. Alle durchprobierte Tabletten halfen höchstens nur sehr kurzfristig; schlechtestenfalls absolut gar nicht. Also sollte eine Prostata-OP als Lösung unumgänglich sein. Aschermittwoch 2012 lag ich auf dem OP-Tisch. „In 20 Minuten ist alles erledigt und sie haben keine Probleme mehr“; so der operierende Arzt. Irgendwie muß ich DAS aber ganz anders verstanden haben.
Direkt nach der stationären Entlassung hatte ich dann eine „tolle“ Harnwegsinfektion, die mir eine prima Inko bescherte und gaaaanz schöne Schmerzen bereitete.
Also, ab durchs Wunderland der Windelanbieter. Durchprobiert hatte ich alles, was erreichbar war. Tena, Hartmann, Attends, Abri, Barme, und und und. Am besten kam ich noch mit der Tena Ultima zurecht, die ich dann auch Belgien bezog.
Nach 2 Wochen war der Harnwegsinfekt vernichtet. Gott sei Dank. Jedoch, die Inko blieb. Der Operateur gab mir in der Nachsorge nur so Wischi-Waschi-Antworten, die mir nicht so recht plausibel erschienen. Also mal ganz woanders eine zweite Meinung herbeiholen.
Es stellte sich heraus, dass diese OP so hätte gar nicht durchgeführt werden dürfen. Allein die nächtlichen „Verlustmenge“ sind (bis heute) zwischen 800 und 2000 ml (es gibt zahllose Miktionsprotokolle).
Boing!
Irgendwann kam die ComfiCare - Windel auf den Markt, die endlich mir eine sichere Nacht bescherte. Keine „Feuchteschäden“ mehr. Dann erfuhr ich von der nateen Combi Ultra, die für mich noch etwas besser war. Zumal die ComfiCare dann nicht mehr erhältlich war. Leider schloß dann die Windelwelt24 (Lieferant der nateen) ihre Pforten.
Der Nachfolger der ComfiCare, die BetterDry (gleicher Anbieter) war für mich aber leider nicht so optimal. Hin und wieder gab es morgens feuchte Stellen im Bett. Etliche Mails mit dem Anbieter der BetterDry konnten das Problem zwar eingrenzen und die Ursache hierfür lokalisieren, aber leider nicht abstellen. Nach einigen „Tiefbohrungen“ im Internet fand ich einen Lieferant aus dem französischen Raum, der die nateen - Windel sehr günstig anbietet, sofern ich wenigstens einen Originalkarton (mit 8 Stück Beutel je 10 Windeln) abnehme. Ich hoffe, dass diese Bezugsquelle mir noch recht lange erhalten bleiben wird.
Für meine zahlreichen Reisen (4 Wochen Colorado und Utah, 3 Wochen Norwegen, 2 Wochen Madeira, 4 Wochen Irland und vieles mehr) verwende ich inzwischen die Urinalversorgung. Kein billiger Ersatz; eher schierer, teurer Luxus. Brauch aber wesentlich weniger Gepäckvolumen als die entspreche
nden Windelmengen. Vor allem, wenn eine „rund-um die-Uhr-Versorgung“ unverzichtbar ist.

Inzwischen habe ich auch keine Probleme, mich gewindelt in der Öffentlichkeit zu bewegen. Wem das peinlich ist oder wer sich daran stört, soll einen großen Bogen um mich machen. Ja, in dieser Richtung habe ich inzwischen ein recht „dickes Fell“ bekommen.

Seit einiger Zeit bin ich Mitglied beim VdK. Die Inko wurde auch vom Versorgungsamt bestätigt (Schwerbehindertenausweis). Das hilft mir dann ein wenig im Kampf um Zuschußgelder für meine Inkontinenz. Man könnte meinen, das ich da so richtige „fette“ Geldmengen von der Krankenkasse erhalte, jedoch, in Wahrheit kann ich nicht mal einen halben Monat lang meine Inkokosten von den Zuschüssen der Kasse finanzieren. Und auch folgender Gag der Krankenkasse war sehr (!!) nett: Nach gut 2 Jahren, also in 2014, stellte die Kasse die Zuschußzahlungen an mich komplett ein. Begründung: Meine Inkontinenz begann vor rund 2 Jahren; innerhalb von 2 Jahren kann eine Inkontinenz komplett ausheilen. Aaaaahh ja. Klar doch, Inko verhält sich wie eine Erkältung. Irgendwann ist die ausgeheilt und somit überstanden.
Ich glaube, dieser Intelligenz-Geniestreich sollte mich nur vielmehr dazu bewegen, einer Hilfsmittelversorgung durch die Krankenkasse zu akzeptieren und zuzustimmen. Jedoch, bei dem Ausmaß meiner Inkontinenz wäre so vermutlich ein besserer Bürgerkrieg entstanden.

Vor längerem hat mir ein Urologe den Vorschlag unterbreitet, mir einen „Blasenschrittmacher“ zu implantieren.
Bei meinem kürzlich stattgefundenen, 3tägigem Krankenhausaufenthalt (auch zur Kontrolle meiner Nierenerkrankung) geriet ich an eine junge Ärztin, die dankbarerweise „kein Blatt vor den Mund“ nahm. „um Himmels Willen, da kommen sie so richtig vom Regen in die Traufe“, so ihre Antwort. „Wollen sie sich so etwas wirklich antun?“ Diese Antwort hat mich dann überzeugt. Und die Ärztin hat mir auch aufgezeigt, wie ich mein Sexualleben gestalten kann. Nein, keine blauen Superpillen oder andere Wundertabletten oder so. Bei meiner Prostata-OP wurde damals ziemlich viel falsch gemacht und auch weitere Schäden angerichtet, die zwar nachweisbar sind, aber keinen direkten operativen Grund hergeben. Vermutlich hatte da das OP eine echte tolle Faschingsabschlußparty, bei der es nur so geknallt hat. Oder das OP-Team hat einige STAR-WARS - Fans, die Laserwaffen über alles lieben. Ich werde mein weiteres Leben mit der Inko irgendwie gestalten müssen und den Zustand akzeptieren, wie er nun mal ist. Da wird sich wohl zeitlebens nichts mehr bei mir ändern. Einen positiven Effekt hat meine Inkontinenz aber doch:
Hin und wieder treffe ich auf Menschen, die sich maßlos darüber „aufblasen“, das andere Personen unübersehbar ein schön dickes Windelpaket anhaben. So etwas ist ja auch unerhört - ja wo sind wir denn?, muß DAS denn sein - so die Worte eines „toleranten“ Mitmenschen auf einer Messe letzten Jahres, die auch ich besuchte. Als dieser Mensch sich so richtig schön in rage redete und mir erklären wollte, was denn nun Normalzustand zu sein hat, pullerte ich neben ihm stehend, bestens in meine Windel. Wenn der gewußt hätte……………………………..ich glaube, der hätte mich erschossen.

In meinem privaten Umfeld - auch im Freundes- und Bekanntenkreis, wissen einige Personen über meine Inko Bescheid. Ich will da auch nichts verstecken, verheimlichen oder wegtarnen. Die einen haben diese Tatsache akzeptiert, stören sich keinesfalls an diesen Umständen, einige haben sich aber doch mehr oder weniger diskret zurückgezogen. Was ich von diesen letztgenannten Personen denke und halte, schreibe ich hier nicht auf. Ich meine, das kann sich jeder selbst denken.

So, genug geschrieben. Falls noch jemand Fragen an mich hat oder Unklarheiten bestehen - bitte ich um Rückmeldungen. Keine Angst, ich fresse niemanden auf.

Gruß
Auslaufmodell
(Der Name ist Programm)

FuldaTiger
02.04.2016, 12:32
Hallo Auslaufmodell,
das ist ja eine sehr ausführliche Vorstellung hier im Forum Inkontinenz
Diese Erfahrungen im Umgang mit Krankheiten und der Windelversorgung haben einige gemacht
Einen Blasenschrittmacher in deinem Fall einsetzen zu lassen, würde ich mir auch sehr genau überlegen
Dies scheint zwar für manchen nicht nachdenkenden Urologen die ultima Ratio zu sein, muss aber vorher auf jeden Fall überprüft werden
Nicht immer passt das
Dass eine Prostata-OP Einfluss auf die Sexualität hat, ist ja bekannt
Aber auch hier gibt es heutzutage Möglichkeiten das wieder zufriedenstellend auszugleichen
Wie es ausschaut, bist du da ja auch schon dementsprechend beraten worden
Immerhin geht es dir ja finanziell recht gut
Du kannst zahlreiche Fernreisen unternehmen und dich auch mit zusätzlichen Hilfsmitteln die über die derzeite Versorgung der Krankenkassen hinaus gehen versorgen
Lass dich von deiner Krankheit nicht unter kriegen ;)
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LG FuldaTiger